Von Richard Engel, dem Chef-Auslandskorrespondenten von NBC News
NBC News Investigations, 06.06.13
Ein ehemaliger Drohnen-Operator der U.S. Air Force, der nach eigenen Angaben an der Tötung von mehr als 1.600 Menschen mitgewirkt hat, erinnert sich heute noch daran, wie eins der ersten Opfer verblutete.
Brandon Bryant berichtet, dass er auf einem Stuhl in einem Stützpunkt der Air Force in Nevada saß und die Kamera der Drohne bediente, von der aus sein Team zwei Raketen auf drei Männer abfeuerte, die auf der anderen Seite der Erde – in Afghanistan – eine Straße entlanggingen. Alle drei Zielpersonen wurden von den Raketen getroffen, und Bryant konnte die Folgen des Angriffs auf seinem Computermonitor sehen – auch die Wärmebilder von einer wachsenden Lache heißen Blutes.
"Dem Burschen der vorne rannte, wurde sein rechtes Bein abgerissen," erinnert er sich. "Ich sah zu, wie er verblutete, und das Blut war erst noch warm. Als der Mann starb, erkaltete sein Körper und nahm die gleiche Farbe wie der Boden an. Das war durch die Veränderungen auf dem Wärmebild ganz deutlich zu erkennen," erzählt Bryant.
"Wenn ich meine Augen schließe, kann ich heute noch jeden einzelnen Bildpunkt sehen," fügt Bryant hinzu, bei dem eine posttraumatischen Belastungsstörung / PTSD diagnostiziert wurde.
Der heute 27-jährige Bryant hat von 2006 bis 2011 als Operator von Drohnen-Sensoren auf Basen in Nevada, in New Mexico und im Irak gedient und beim Führen unbemannter Flugkörper über dem Irak und über Afghanistan mitgewirkt. Obwohl er dabei selbst keine Raketen abgefeuert hat, war er an Einsätzen beteiligt, bei denen, wie man ihm gesagt hat, insgesamt 1.626 Personen getötet wurden.
In einem Interview mit NBC News (das als Video unter dem eingangs angegebenen Link aufzurufen ist) gewährt er als einer der ersten direkt Beteiligten Einblicke in das Tun derjenigen, die diese umstrittenen Flugkörper bedienen, die mittlerweile bei der Tötung von Terroristen eine zentrale Rolle spielen.
Er berichtet, dass er schon als Operator unter der körperlichen Trennung zwischen seiner Alltagsroutine und der Gewalt litt, die von den weit entfernten Drohnen ausging. "Man spürt nicht die Bewegung des Flugkörpers, und man hört auch nicht die Geräusche seines Motors," erläuterte er. "Man hört nur das leise Summen der Computer, und das ist etwas ganz anderes.
Die Bilder, die von den Drohnen zurückkämen, wirkten aber sehr real und sehr plastisch.
"Man hat uns gesagt, Drohnen seien mit Granatwerfern zu vergleichen," ergänzt Bryant. "Artillerie-Beschuss hat aber überhaupt nichts damit zu tun. Der Artillerist kann die Folgen seines Tuns nicht sehen. Wir erleben sie live mit, weil wir alles beobachten müssen."
Bryant beschreibt sich selbst als "naiven Jungen" aus einem kleinen Ort in Montana; er habe sich 2005 als 19-Jähriger bei der Air Force beworben. Nachdem er bei Tests gut abgeschnitten habe, hätte ihm ein Rekrutenwerber vorgeschwärmt, dass er als Drohnen-Operator einen Job wie die cleveren Burschen machen könne, die in den James-Bond-Filmen in den Kontrollräumen sitzen und den Agenten mit Informationen füttern, damit er seine Mission erfolgreich durchführen kann.
Vor seiner ersten Beteiligung an einem Drohnen-Einsatz hat Bryant 3½ Monate trainiert. Von einem Gefechtsstand auf der Nellis Air Force Base in Nevada habe er die Kameras einer Drohne bedient, die gerade nördlich von Bagdad startete.
Bryant und das übrige Team sollten mit ihrer Drohne eine US-Patrouille unterstützen und beschützen. Sie hätten tatenlos zusehen müssen, wie Aufständische auf einer Straße einen Sprengsatz eingruben und wie anschließend ein Humvee mit US-Soldaten in die Sprengfalle fuhr.
"Wir hatten keine Möglichkeit, die Soldaten zu warnen," bedauert er. Später habe er erfahren, dass drei Soldaten starben. Nach den ersten mit Drohnen vollzogenen Tötungen seien alle Trugbilder aus den James-Bond-Filmen verschwunden "Das ist kein Videospiel," sagte er. "Das ist kein Spaß, das ist Krieg, in dem Menschen sterben."
Bryant betont, während seiner Zeit als Drohnen-Operator hätten der kommandierende Offizier und sein Team immer versucht, möglichst keine Zivilisten zu töten.
Er habe sich aber oft gefragt, ob von den Zielpersonen am Boden wirklich eine Bedrohung ausging. Er ist sich immer noch nicht sicher, ob die drei Männer in Afghanistan wirklich Taliban-Kämpfer oder einfach nur Männer waren, die, wie das in Afghanistan üblich ist, aus Gewohnheit ihre Waffen mit sich führten. Als die erste Rakete sie traf, seien die Männer noch fünf Meilen von einem US-Stützpunkt entfernt gewesen und hätten sich unterhalten.
"Sie schienen es nicht eilig zu haben," erinnert er sich. "Vielleicht waren sie völlig harmlos. Möglicherweise waren sie bewaffnet, ich war aber nicht davon überzeugt, dass sie etwas Böses im Schilde führten." Als 21-jähriger Soldat habe er aber nicht gewagt, irgendwelche Fragen zu stellen, erklärte Bryant.
Er erinnert sich auch daran, dass er einmal kurz vor dem Einschlag einer Rakete ein Kind auf seinem Bildschirm auftauchen sah; die andern redeten ihm aber ein, dass er nur einen Hund gesehen habe.
Bryant gesteht, nach der Teilnahme an Hunderten von Drohnen-Angriffen im Laufe der Jahre habe er "die Achtung vor dem Leben" verloren und begonnen, sich wie ein Soziopath aufzuführen. 2010 sei er einmal zur Arbeit gekommen, habe die an der Wand aufgehängten Bilder von Zielpersonen angestarrt – Bilder von Anwar al-Awlaki und anderen Al-Qaida- und Taliban-Führern – und vor sich hin gemurmelt: "Welchen von diesen Fickern werden wir denn heute killen?"
Als Bryants Karriere als Drohnen-Operator 2011 zu Ende ging, habe ihm sein Kommandeur eine Art Berichtsbogen übergeben und darauf hingewiesen, dass bei den Drohnen-Angriffen, an denen er beteiligt war, 1.626 Menschen getötet wurden.
"Es ginge mir heute viel besser, wenn ich dieses Stück Papier nie gesehen hätte," bedauert er. "Ich habe US-Soldaten, unschuldige Menschen und Aufständische sterben sehen. Und das war nicht schön. Dafür möchte ich auch kein Diplom haben."
Seit Bryant die Air Force verlassen hat und wieder zu Hause in Montana ist, fragt er sich oft, wie viele Menschen auf diesem Berichtsbogen wohl unschuldige Zivilisten waren. Er gibt zu: "Ich möchte lieber nicht darüber nachdenken, weil es mir fast das Herz zerreißt."
Die Behörde für Kriegsveteranen hat ihm nach einer Untersuchung bestätigt, das er unter einer posttraumatischen Belastungsstörung / PTSD leidet, die sich durch Wutanfälle, Schlaflosigkeit und Alkoholexzesse bemerkbar macht.
"Ich kann mit normalen Leuten nicht mehr umgehen," meint er "Sie frustrieren mich, weil sie a) nicht begreifen, was in mir vorgeht, und weil ihnen das b) völlig egal ist."
Er sträubt sich auch dagegen, persönlichen Bekannten zu erzählen, was er in den fünf Jahren (bei der Air Force) getan hat. Als er einer Frau beichtete, dass er Drohnen-Operator gewesen und an der Tötung vieler Menschen beteiligt gewesen sei, habe sie sich sofort von ihm getrennt. "Sie hat mich angesehen, als sei ich ein Monster, und mich nie wieder angefasst."
Übersetzung: Wolfgang Jung, Luftpost-kl.de
NBC News Investigations, 06.06.13
Ein ehemaliger Drohnen-Operator der U.S. Air Force, der nach eigenen Angaben an der Tötung von mehr als 1.600 Menschen mitgewirkt hat, erinnert sich heute noch daran, wie eins der ersten Opfer verblutete.
Brandon Bryant berichtet, dass er auf einem Stuhl in einem Stützpunkt der Air Force in Nevada saß und die Kamera der Drohne bediente, von der aus sein Team zwei Raketen auf drei Männer abfeuerte, die auf der anderen Seite der Erde – in Afghanistan – eine Straße entlanggingen. Alle drei Zielpersonen wurden von den Raketen getroffen, und Bryant konnte die Folgen des Angriffs auf seinem Computermonitor sehen – auch die Wärmebilder von einer wachsenden Lache heißen Blutes.
"Dem Burschen der vorne rannte, wurde sein rechtes Bein abgerissen," erinnert er sich. "Ich sah zu, wie er verblutete, und das Blut war erst noch warm. Als der Mann starb, erkaltete sein Körper und nahm die gleiche Farbe wie der Boden an. Das war durch die Veränderungen auf dem Wärmebild ganz deutlich zu erkennen," erzählt Bryant.
"Wenn ich meine Augen schließe, kann ich heute noch jeden einzelnen Bildpunkt sehen," fügt Bryant hinzu, bei dem eine posttraumatischen Belastungsstörung / PTSD diagnostiziert wurde.
Bild: Wikimedia, public domain, Bedienung über Bildschirm und Computer |
In einem Interview mit NBC News (das als Video unter dem eingangs angegebenen Link aufzurufen ist) gewährt er als einer der ersten direkt Beteiligten Einblicke in das Tun derjenigen, die diese umstrittenen Flugkörper bedienen, die mittlerweile bei der Tötung von Terroristen eine zentrale Rolle spielen.
Er berichtet, dass er schon als Operator unter der körperlichen Trennung zwischen seiner Alltagsroutine und der Gewalt litt, die von den weit entfernten Drohnen ausging. "Man spürt nicht die Bewegung des Flugkörpers, und man hört auch nicht die Geräusche seines Motors," erläuterte er. "Man hört nur das leise Summen der Computer, und das ist etwas ganz anderes.
Die Bilder, die von den Drohnen zurückkämen, wirkten aber sehr real und sehr plastisch.
"Man hat uns gesagt, Drohnen seien mit Granatwerfern zu vergleichen," ergänzt Bryant. "Artillerie-Beschuss hat aber überhaupt nichts damit zu tun. Der Artillerist kann die Folgen seines Tuns nicht sehen. Wir erleben sie live mit, weil wir alles beobachten müssen."
Bryant beschreibt sich selbst als "naiven Jungen" aus einem kleinen Ort in Montana; er habe sich 2005 als 19-Jähriger bei der Air Force beworben. Nachdem er bei Tests gut abgeschnitten habe, hätte ihm ein Rekrutenwerber vorgeschwärmt, dass er als Drohnen-Operator einen Job wie die cleveren Burschen machen könne, die in den James-Bond-Filmen in den Kontrollräumen sitzen und den Agenten mit Informationen füttern, damit er seine Mission erfolgreich durchführen kann.
Vor seiner ersten Beteiligung an einem Drohnen-Einsatz hat Bryant 3½ Monate trainiert. Von einem Gefechtsstand auf der Nellis Air Force Base in Nevada habe er die Kameras einer Drohne bedient, die gerade nördlich von Bagdad startete.
Bryant und das übrige Team sollten mit ihrer Drohne eine US-Patrouille unterstützen und beschützen. Sie hätten tatenlos zusehen müssen, wie Aufständische auf einer Straße einen Sprengsatz eingruben und wie anschließend ein Humvee mit US-Soldaten in die Sprengfalle fuhr.
"Wir hatten keine Möglichkeit, die Soldaten zu warnen," bedauert er. Später habe er erfahren, dass drei Soldaten starben. Nach den ersten mit Drohnen vollzogenen Tötungen seien alle Trugbilder aus den James-Bond-Filmen verschwunden "Das ist kein Videospiel," sagte er. "Das ist kein Spaß, das ist Krieg, in dem Menschen sterben."
Bryant betont, während seiner Zeit als Drohnen-Operator hätten der kommandierende Offizier und sein Team immer versucht, möglichst keine Zivilisten zu töten.
Er habe sich aber oft gefragt, ob von den Zielpersonen am Boden wirklich eine Bedrohung ausging. Er ist sich immer noch nicht sicher, ob die drei Männer in Afghanistan wirklich Taliban-Kämpfer oder einfach nur Männer waren, die, wie das in Afghanistan üblich ist, aus Gewohnheit ihre Waffen mit sich führten. Als die erste Rakete sie traf, seien die Männer noch fünf Meilen von einem US-Stützpunkt entfernt gewesen und hätten sich unterhalten.
"Sie schienen es nicht eilig zu haben," erinnert er sich. "Vielleicht waren sie völlig harmlos. Möglicherweise waren sie bewaffnet, ich war aber nicht davon überzeugt, dass sie etwas Böses im Schilde führten." Als 21-jähriger Soldat habe er aber nicht gewagt, irgendwelche Fragen zu stellen, erklärte Bryant.
Er erinnert sich auch daran, dass er einmal kurz vor dem Einschlag einer Rakete ein Kind auf seinem Bildschirm auftauchen sah; die andern redeten ihm aber ein, dass er nur einen Hund gesehen habe.
Bryant gesteht, nach der Teilnahme an Hunderten von Drohnen-Angriffen im Laufe der Jahre habe er "die Achtung vor dem Leben" verloren und begonnen, sich wie ein Soziopath aufzuführen. 2010 sei er einmal zur Arbeit gekommen, habe die an der Wand aufgehängten Bilder von Zielpersonen angestarrt – Bilder von Anwar al-Awlaki und anderen Al-Qaida- und Taliban-Führern – und vor sich hin gemurmelt: "Welchen von diesen Fickern werden wir denn heute killen?"
Als Bryants Karriere als Drohnen-Operator 2011 zu Ende ging, habe ihm sein Kommandeur eine Art Berichtsbogen übergeben und darauf hingewiesen, dass bei den Drohnen-Angriffen, an denen er beteiligt war, 1.626 Menschen getötet wurden.
"Es ginge mir heute viel besser, wenn ich dieses Stück Papier nie gesehen hätte," bedauert er. "Ich habe US-Soldaten, unschuldige Menschen und Aufständische sterben sehen. Und das war nicht schön. Dafür möchte ich auch kein Diplom haben."
Seit Bryant die Air Force verlassen hat und wieder zu Hause in Montana ist, fragt er sich oft, wie viele Menschen auf diesem Berichtsbogen wohl unschuldige Zivilisten waren. Er gibt zu: "Ich möchte lieber nicht darüber nachdenken, weil es mir fast das Herz zerreißt."
Die Behörde für Kriegsveteranen hat ihm nach einer Untersuchung bestätigt, das er unter einer posttraumatischen Belastungsstörung / PTSD leidet, die sich durch Wutanfälle, Schlaflosigkeit und Alkoholexzesse bemerkbar macht.
"Ich kann mit normalen Leuten nicht mehr umgehen," meint er "Sie frustrieren mich, weil sie a) nicht begreifen, was in mir vorgeht, und weil ihnen das b) völlig egal ist."
Er sträubt sich auch dagegen, persönlichen Bekannten zu erzählen, was er in den fünf Jahren (bei der Air Force) getan hat. Als er einer Frau beichtete, dass er Drohnen-Operator gewesen und an der Tötung vieler Menschen beteiligt gewesen sei, habe sie sich sofort von ihm getrennt. "Sie hat mich angesehen, als sei ich ein Monster, und mich nie wieder angefasst."
Übersetzung: Wolfgang Jung, Luftpost-kl.de