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Putins rote Linie: Kein Regimewechsel in Syrien!

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"Vertreter der Obama-Regierung, die monatelang mit der Türkei verhandelt haben, teilten am Donnerstag mit, sie hätten vereinbart, dass bemannte und unbemannte US-Kampfflugzeuge von türkischen Flugplätzen in Incirlik und Diyarbakir aus Stellungen des Islamischen Staates angreifen dürfen. Ein höherer Offizieller hat die Vereinbarung als "Game Changer" (Wendepunkt) beschrieben. [s. hier]"
Von Mike Whitney
counterpunch, 17.09.15
Der Krieg in Syrien kann damit in zwei Phasen aufgeteilt werden: die Vor-Incirlik-Phase und die Nach-Incirlik Phase. Die Vor-Incirlik-Phase umfasst in etwa die vier Jahre, in denen die von den USA unterstützten, mit Al-Qaida verbündeten islamistischen Milizen gegen die syrische Armee gekämpft haben, um den Präsidenten Baschar al-Assad zu stürzen. Diese erste Phase des Krieges endete mit einem Patt.

Die Nach-Incirlik-Phase könnte ganz anders ausgehen, weil die Drohnen und Kampfjets der USA vom türkischen Flugplatz Incirlik aus in nur 15 Minuten Syrien erreichen können. Dadurch kann die U.S. Air Force die Anzahl ihrer Angriffe erhöhen, die dschihadistischen Bodentruppen der USA noch besser schützen und unterstützen. Das wird ihre Chancen auf einen Sieg außerordentlich verbessern.

Die New York Times hat den Incirlik-Deal als "Wendepunkt" bezeichnet, was eine Untertreibung ist. Die F-16 der U.S. Air Force können jetzt ständig am Himmel über Syrien patrouillieren und eine De-Facto-Flugverbotszone errichten; das wird die Möglichkeiten Assads, die US-unterstützten Milizen, die bereits große Teile Syriens erobert haben und jetzt nach Damaskus greifen, (auch aus der Luft) zu bekämpfen, stark einschränken. Der Krieg kann zwar nicht nur aus der Luft gewonnen werden, aber die taktische Wende hat die Chancen der Dschihadisten stark verbessert. Mit anderen Worten, die Incirlik-Vereinbarung hat die Lage total verändert.

Die Obama-Regierung glaubt, der Regimewechsel sei jetzt in greifbare Nähe gerückt. Sie geht davon aus, dass U.S. Special Operations Forces und türkische Kampftruppen nur noch ein bisschen nachhelfen müssen und halten das für machbar. Deshalb hat Obama über den Plan Russlands, eine Übergangsregierung oder eine Koalition gegen den ISIS zu bilden, auch nur die Schultern gezuckt. Die USA meinen, keine Kompromisse eingehen zu müssen, weil sie jetzt über strategisch günstig gelegene Flugplätze verfügen, von denen aus sie ihre islamistische Marionetten-Armee schützen, noch mehr Ziele jenseits der Grenze bombardieren und den Himmel über Syrien kontrollieren können. Obama denkt, nur seinen Luftkrieg intensivieren, noch etwas mehr Druck auf Assad ausüben und warten zu müssen, bis dessen Regime zusammenbricht. Deshalb sollten wir zu Beginn der zweiten Phase mit einer deutlichen Eskalation rechnen.

Weil der russische Präsident Wladimir Putin das weiß, wird er mehr Waffen, Nachschub und Berater nach Syrien schicken. Er wird den Herrschaften in Washington signalisieren, dass er sie durchschaut hat und reagieren wird, wenn sie es zu weit treiben. In einem Interview mit dem staatlichen Channel 1 sagte Putin: "Wir wissen, was und wie wir es tun, wenn sich die Situation in Syrien durch noch mehr Gewalt noch weiter verschlechtert. Wir haben unsere Pläne."

Putins Pläne machen die US-Regierung sehr nervös, und sie versucht natürlich, herauszufinden, welche Asse er im Ärmel hat. Erst vor wenigen Tagen hat US-Außenminister John Kerry mit seinem russischen Kollegen Sergei Lawrow telefoniert, um seine "Besorgnis über die russische Militärhilfe für Syrien" auszudrücken. Der Anruf war ein plumper Versuch, Lawrow Informationen darüber zu entlocken, wie Moskau reagieren wird, wenn Washington weiterhin Assad zu stürzen versucht. Der russische Außenminister hat den Köder aber nicht geschluckt. Er hat seinen bisherigen Kurs beibehalten und Kerry nichts gesagt, was der nicht ohnehin schon wusste.

Karikatur:© Kostas Koufogiorgos, www.koufogiorgos.de
Tatsache ist aber, dass Putin einen gewaltsamen Sturz Assads nicht zulassen wird. Obwohl das klar ist, sind sich Obama und seine Berater noch nicht zu 100 Prozent sicher und versuchen weiterhin, eine offizielle Bestätigung dafür zu bekommen. Aber Putin wird sich nicht festlegen, um seine Karten nicht zu früh aufzudecken und den Eindruck zu vermeiden, er sei auf Konfrontation aus. Das bedeutet nicht, dass er nicht entschlossen ist (Assad zu stützen). Das ist er, und Washington weiß das auch. Putin hat eine rote Linie gezogen und den USA zu verstehen gegeben, dass sie Ärger bekommen werden, wenn sie diese Linie überschreiten.

Obama hat also die Wahl. Er kann (auf den Sturz Assads verzichten und) sich friedlich mit Moskau einigen oder weiterhin einen Regimewechsel anstreben und eine Konfrontation mit Russland riskieren.

Unglücklicherweise glaubt Washington nicht nachgeben und seine Politik noch ändern zu können. Deshalb wird die US-Kriegsmaschinerie weiterlaufen, bis sie endgültig in eine Sackgasse gerät und stotternd zum Halten kommt. Wie in der Ukraine wird die Sturheit der USA am harten Widerstand scheitern, auf Kosten der geschundenen Syrer, ihres Landes und der ganzen Region.

Bedenken Sie auch, dass der imperialistische Plan zur Zerschlagung Syriens viel subtiler ist, als er zu sein scheint. Michael E. O'Hanlon von der Brookings Institution schreibt in seinem Artikel "Deconstructing Syria: A new strategy for America’s most hopeless war" [Die Demontage Syriens: Eine neue Strategie für den hoffnungslosesten Krieg der USA, s. hier.
"Der Plan sieht nicht unbedingt vor ... Assad zu stürzen, sondern möglichst viel seines Staates, den er wieder ganz zu regieren hofft, seiner Kontrolle zu entziehen. Die autonomen Zonen können nur "befreit" werden, wenn sicher ist, dass sie nicht wieder unter die Herrschaft Assads oder eines Nachfolgers geraten. Nach diesem Konzept ist nicht der Sturz Assads das militärische Ziel, sondern die Eroberung der Gebiete, die er jetzt noch kontrolliert. Und wenn sich Assad zu lange ziert, ins Exil zu gehen, gefährdet er nicht nur seine Regierungsmacht, sondern auch seine Person."
Das ist also geplant: Die größeren Städte und möglichst viel syrisches Territorium sollen erobert und die Versorgungswege und wichtige Teile der zivilen Infrastruktur sollen zerstört werden, um Assad fortschreitend zu entmachten. Letztendlich soll Syrien in viele kleine, von bewaffneten Söldnern, Al-Qaida-Ablegern und lokalen Warlords beherrschte Enklaven zerschlagen werden. Das ist Washingtons teuflischer Plan für Syrien. Er ist dem zionistischen Plan, "die ganze Region durch Zerschlagung aller bestehenden arabischen Staaten in viele Teilstaaten aufzusplittern" verblüffend ähnlich, ja praktisch mit ihm identisch.

Es ist klar, dass Obama, durch den Incirlik-Deal ermutigt, noch glaubt, seinen imperialistischen Syrien-Plan mit Hilfe der Türkei umsetzen zu können. Das wird aber nicht möglich sein. Russland, der Iran und die Hisbollah werden ihren Verbündeten Assad verteidigen und Washingtons Zug zum Halten bringen. Obama wird es zwar gelingen, einen weiteren souveränen Staat zu zerstören und dessen Menschen über den ganzen Mittleren Osten und Europa zu zerstreuen. Den ursprünglichen US-Plan wird er aber nicht verwirklichen können. Es wird keinen Regimewechsel in Syrien geben. Putin, Nasrallah und Khamenei werden das zu verhindern wissen.

Übersetzung: Wolfgang Jung, luftpost-kl.de

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