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LAFONTAINE: VIRIL UND KRANK - Die Paranoia des Mainstream-Journalismus

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Karikatur:© Kostas Koufogiorgos, www.koufogiorgos.de
Von Ulrich Gellermann

Willy Brandt war mal dieser, mal jener Dame zugeneigt, Helmut Kohl ließ gern seine Frau zu Hause und nahm auch private Termine mit seiner Sekretärin wahr, Rudolf Augstein war an immer neuen Frauen interessiert, Axel Springer hätte Beziehungs-Zeitungen wie die "Bunte" ganz allein beschäftigen können, Herrn Öttingers Ausflüge zur geneigten Weiblichkeit sind nur denen bekannt, die so etwas unbedingt wissen wollen, über Herrn Seehofers Privatleben spricht der anständige Mensch nicht, die Frage nach der besonderen Beziehung von Friede Springer und ihrem Vorstandschef Mathias Döpfner wird öffentlich nicht gestellt und was es den Verleger Hubert Burda gekostet hat eine 26 Jahre jüngere Frau zu heiraten, darüber wird nicht spekuliert: Dass man über das sehr private Leben von Persönlichkeiten außerhalb der Glamour-Szene nicht schreibt, war Konsens unter den relativ seriösen Journalisten Deutschlands. Mit dem Fall Lafontaine ist das jetzt vorbei. Mit Lafontaine darf man unanständig umgehen, denn der hat ja auch keinen Anstand: Der ist ernsthaft links. Nicht nur so rot angestrichen wie Gabriel, oder so modisch wie Fischer oder so abgedreht wie Cohn-Bendit.

Angefangen hatte es mit der "Bunten" im Oktober: "Oskar Lafontaine: Steckt (s)eine Frau hinter dem Rückzug aus der Saar?" lautet der Titel einer Schmuddel-Story, die danach dem Blatt für verdorbene Häppchen, dem "Focus", ein Zweizeiler wert war: "Oskar Lafontaine – Zieht sich ins Saarland zu Gattin Christa Müller zurück. Scharfe Berliner KommunistInnen müssen ohne ihn klarkommen“. Diese unglaubliche Sensation wurde dann von BILD-am-Montag, auch "Spiegel" genannt, ins Schmierige gezogen: "Die Kommunistin Sahra Wagenknecht, intime Kennerin von Lafontaines Positionen und nicht nur in Streikfragen mit ihm auf Augenhöhe, verlangt wie er regelmäßig französische Verhältnisse." Damit nicht genug, stößt das Hamburger Blatt mit einem Gerücht nach, dass wie ein Faktum berichtet wird: "Lafontaine und Wagenknecht, so heißt es, seien sich in der Vergangenheit nicht nur inhaltlich nahe gekommen". Unter dem Vorwand der Empörung ist im blog des vorgeblich linken "Freitag" zu lesen: "Gerüchte darüber ( über die angebliche Beziehung Wagenknecht-Lafontaine) gab es schon seit Monaten. Auch darüber, dass der Saarländer in eine delikate Situation kommen könnte, wenn die frühere Europaabgeordnete in den Bundestag einzieht." Und der Herausgeber des "Freitag", Jakob Augstein, kommentiert diese "delikate Situation" mit unnachahmlicher journalistischer Sorgfalt: "Ich habe die (Wagenknecht) mal vor mehr als zehn Jahren getroffen und über sie geschrieben und da war sie mir schon ziemlich unheimlich."

Sie stehen in unheimlicher deutscher Tradition, die Lafontaine-Schnüffler: So losgelöst von jeder Wahrheit ebenso wie von dem, was man journalistisches Ethos nennt, wandeln sie auf den Spuren des "Stürmers". Der öffentlich nicht mehr erlaubte Rassismus wird zum politischen Verfolgungs-Journalimus, der einer Paranoia ziemlich nahe kommt. Denn Wahrheiten über die sozialen Verhältnisse der Republik, wie sie Lafontaine gerne verbreitet, sind schwer zu ertragen, wenn man selbst seit Jahr und Tag nur dummes, geziertes oder vertuschendes Zeugs schreiben darf. Dass der Dreck nicht einmal vor Tod und Krankheit halt macht, wenn es um Lafontaine geht, erweist sich seit bekannt ist, dass der Linkspartei-Chef Krebs hat. Die "Süddeutsche Zeitung" belässt es nicht bei einer Meldung über die Erkrankung Lafontaines: Eifrig spekuliert sie über "das Ende einer Ära" und zitiert ungenannte Personen aus der Linkspartei-Führung, deren Meinung so klingt "wie ein Abgesang". Nichts belegt die Mischung aus schlechter Recherche und blindem Hass besser, als die anonymen Zeugen, bei denen man sicher sein darf, dass sie nicht widersprechen. Bei solch exklusivem Anschein-Journalismus darf auch die "Zeit" nicht zurückstehen, die mit dem Krebs Lafontaines voller Pietät so umgeht: "Die politische Zukunft von Lafontaine in der Linkspartei ist nun offener denn je. . . . Auch Vertreter des Reformerflügels sprachen von der Gefahr, "dass er einfach die Tür zuknallt".

Unnachahmlich bleibt der kluge Kopf, der in der "FAZ" versucht, aus der Krankheit des Saarländers spekulatives Kapital zu schlagen: "Die Mitteilung über seine Krankheit beendet auch Versuche, Lafontaines zuletzt erratisches (umherirrendes) Verhalten mit seinem Privatleben zu erklären". Wenige Tage zuvor hatte die FAZ schon einmal versucht, das Verhalten Oskar Lafontaines als erratische Sex-Story zu deuten. Unter dem Mäntelchen einer Glosse über die "Bunte" exhibitionierte sich der FAZ-Autor mit einer Tatsachenbehauptung: "Lafo hat was am Laufen mit Sahra Wagenknecht. Hammer, oder?" Schon der Stil verwechselt Geläufigkeit mit Läufigkeit und was da aus dem weit geöffneten Mantel, guckt ist kein Hammer sondern eine schwere sexuelle Verklemmung. - Wann immer ein Mensch nicht in die schäbige, kleine Spur passt, auf der Mainstream-Journalisten ihre Formulierungen fahren lassen, behelfen sie sich mit Diffamierungen unter denen der Populismus-Vorwurf offenkundig die geringste war. Sexbesessen und krank: So hätten sie Oskar Lafontaine am liebsten, tot wäre auch nicht schlecht.


Dieser Artikel erschien am 18. November 2009 auf Ulrich Gellermanns Plattform für Nachdenker und Vorläufer, RATIONALGALERIE, wovon ich ihn, mit seinem Einverständnis, übernommen habe. Danke.

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