Karikatur:© Kostas Koufogiorgos, www.koufogiorgos.de |
Von Shamus Cooke
Global Research, 19.22.13
Wenn Präsident Obama spricht, hören die meisten US-Amerikaner nur das, was er sie hören lassen will: in pathetischer Rhetorik vorgetragene "progressive" Visionen. Zwischen den Zeilen richtet er aber eine subtile Botschaft an das 1 % (ganz oben), das die Ohren spitzt, wenn er seine Phrasen drischt. Auch Obamas Bericht zur Lage der Nation war wieder eine solche Rede: Die erfreulichen Ankündigungen für die Konzerne waren gut verborgen unter seiner mit Schokolade überzogenen Rhetorik für die Massen, die leicht zu schlucken, aber hochgiftig ist. (Der Amerikadienst hat hier eine offizielle deutsche Übersetzung der Obama-Rede veröffentlicht.)
Obamas Rede schmeichelte in vielen Passagen den Ohren (der Massen), es gab aber Schlüsselmomente, in denen er sich exklusiv nur an die 1 %-Clique wandte. Um die in Obamas Rede verborgene Botschaft an diese Leute zu entschlüsseln, müssen wir seine aufgeplusterte Rhetorik ignorieren und seine Worte so verstehen, wie es die 1 %-Clique tut. Jedes Mal, wenn Obama die Worte "Reform" oder "Einsparungen" benutzt, müssen wir diese Ausdrücke durch "Kürzungen" ersetzen.
Ich zitiere nur einige der schändlichsten Passagen aus Obamas Rede zur Lage der Nation:
"Und diejenigen unter uns, die sich Sorgen um Programme wie Medicare (die staatliche Krankenversicherung für ältere und behinderte US-Bürger) machen, müssen sich auf maßvolle Reformen – sprich Kürzungen – einstellen."Dieser sehr verklausulierte Satz war ausschließlich für die 1 %-Clique bestimmt. Was sich die sehr rechtslastige Simpson- Bowles-Kommission ausdachte, hat Obama natürlich nicht gesagt. Auf der Website Talking Points Memo / TPM wird darüber informiert.
"Was Medicare angeht, werde ich Reformen – sprich Kürzungen – vornehmen, durch die sich mit Beginn des nächsten Jahrzehnts bei den Gesundheitskosten Einsparungen – sprich Kürzungen – in gleicher Höhe erzielen lassen, wie durch die Reformen – sprich Kürzungen – die von der von beiden Parteien getragenen Simpson-Bowles-Kommission vorgeschlagen wurden."
Die Simpson-Bowles-Kommission hat vorgeschlagen:
mehr Personen mit niedrigem Einkommen in die Medicaid, die (eingeschränkte) Gesundheitsfürsorge für Bedürftige, einzugliedern,
die Zuzahlungen für Medicaid-Empfänger zu erhöhen,
die bereits geplante Reduzierung der Medicare-Versicherungsleistungen und der Leistungen bei der häuslichen Pflege zu beschleunigen,
die Ausgaben für Medicaid und Medicare zu deckeln, was den Kongress und den Präsidenten dazu zwingen würde, die Prämien und die Zuzahlungen zu erhöhen oder zum Beispiel das (jetzt bei 65 Jahren liegende) Alter, ab dem Medicare- Leistungen beansprucht werden können, entsprechend anzuheben, wenn die Kostensteigerungen in den nächsten fünf Jahren Jahren das beschlossene Kostenlimit übersteigen.
Es gab noch viele andere, gut getarnte Angriffe auf Medicare in Obamas Rede, die den meisten linken und "progressiven" Gruppierungen entgangen sind, weil sie sich von dem "progressiven" Rauch, den Obama ihnen ins Gesicht blies, den Blick trüben ließen.
Obamas Rede enthielt auch die erschreckende Vision von einer weiteren Privatisierung bisher öffentlicher Einrichtungen. Er hat sie aber so gut kaschiert, dass sie nur die 1 %-Clique verstanden hat:
Absurde Widersprüche des Kapitalismus |
Obama plant einen "Wiederaufbau der USA" nach den Vorstellungen der Reichen und der Konzerne, die ihr "privates Kapital" nur in gewinnbringende Investitionen stecken; Erlöse die vorher der Allgemeinheit zugute kamen, sollen jetzt zu deren Nachteil nur noch in die Taschen der Reichen fließen.
Von der gewinnträchtigen Privatisierung öffentlicher Schulen und in öffentlichem Besitz befindlicher Infrastruktureinrichtungen – sprich Häfen, Leitungsnetze usw. – träumen die Rechten schon seit Jahren. Das wird dazu führen, dass die Masse der Bevölkerung überall draufzahlen muss und das öffentlich Schulsystem noch weiter zersplittert wird, als das durch Obamas wenig erfolgreiche "überall zur Spitze strebende" Bildungsreform bereits geschehen ist.
In seiner Rede hat Obama auch zwei sehr konzernfreundliche internationale Freihandelsabkommen angekündigt, durch die alle in den USA gezahlten Löhne noch weiter gedrückt werden.
"Wir haben vor, die Verhandlungen über eine Transpazifische Partnerschaft – sprich eine Freihandelszone mit asiatischen Staaten – abzuschließen. Und heute Abend kann ich bekannt geben, dass wir Gespräche über ein umfassendes Transatlantisches Handels- und Investitionsabkommen – sprich eine Freihandelszone mit der Europäischen Union – starten werden, weil ein freier und fairer Handel über den Atlantik hinweg Millionen gut bezahlter Jobs in den USA sichern wird."
Bei seiner Lobrede auf den freien Handel entwaffnete Obama linke und progressive Gruppierungen dadurch, dass er das nichtssagende Wort "fair" einfließen ließ.
Außerdem hat Obama in seiner Rede angekündigt, dass er seine Drohnen-Mordpolitik fortsetzen wird. Die Drohnen-Morde sind nach der Genfer Konvention eindeutig Kriegsverbrechen und verstoßen auch gegen die von unserer Verfassung zugesicherte lästige Unschuldsvermutung, nach der jemand so lange als unschuldig zu gelten hat, bis seine Schuld erwiesen ist.
Mit der Versicherung, sein Mordprogramm sei "legal" und "transparent", ist es Obama anscheinend gelungen, progressive Gruppierungen zu beruhigen.
Es gibt noch viele Beispiele für andere hochgiftige Absichten Obamas, die in seiner zuckersüßen Rede versteckt sind. In seiner äußerst rechtslastigen Agenda fehlt vor allem ein Ausweg aus der Job-Krise; die Arbeitslosen hat er mit einem Gebräu aus hübschen Formulierungen und "vielversprechenden" Phrasen abgespeist.
Einige Gewerkschaftsführer und "Progressive" ließen sich tatsächlich von Obama blenden. Richard Trumka, der Präsident des US-Gewerkschaftsbundes AFL-CIO, lobte diese gegen die Arbeiter gerichtete Rede mit folgenden Worten:
"Heute Abend hat Präsident Obama die klare Botschaft an die Welt gerichtet, dass er für die Werte und Ziele der arbeitenden Bevölkerung der USA kämpfen wird. Und auf dem Fundament, das er gelegt hat, werden die Arbeiterfamilien an seiner Seite am Aufbau einer Wirtschaft mitwirken, an der alle teilhaben." (s. hier)
Gerade daran zeigt sich unser eigentliches Problem; obwohl Präsident Obama in die Fußstapfen seines Vorgängers Bush getreten ist, sind die vorher kritischen Stimmen der linken und progressiven Gruppierungen verstummt. Die engen Bindungen zwischen diesen Gruppen und der Demokratischen Partei sind zu schweren Ketten für die arbeitende Bevölkerung geworden; sie ist führerlos den Angriffen des Kapitals ausgesetzt, und niemand sagt ihr die Wahrheit oder hilft ihr, sich zu organisieren und gemeinsam zu wehren. Wir brauchen viele neue Jobs, die Kürzungen bei den Sozialprogrammen müssen aufhören und in das öffentliche Schulsystem muss mehr Geld gesteckt werden. Auch in der zweiten Amtszeit Obamas werden Millionen Menschen aus ihren (bitteren) Erfahrungen Lehren ziehen können.
Shamus Cooke ist Sozialarbeiter, Gewerkschafter und schreibt für Workers Action. Er ist zu erreichen über shamuscooke@gmail.com.
(Luftpost-kl.de hat den Artikel, der auch hartnäckigen deutschen Obama-Fans endlich die Augen öffnen sollte, komplett übersetzt und mit Ergänzungen und Links in Klammern versehen. Die Ansichten des Autors Shamus Cooke teilt auch Pulitzer-Preisträger Chris Hedges. Hier ist die Übersetzung eines aufschlussreichen Interviews mit ihm nachzulesen.)
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