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Ein krankes System - Die Enteignung des Volkes ist nötig

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Karikatur:© Kostas Koufogiorgos, www.koufogiorgos.de
Von Uli Gellermann

Ich bin der Doktor Eisenbarth,
Zwilliwilliwick, bumbum!
Kurier' die Leut' nach meiner Art,
Zwilliwilliwick, bumbum!
Kann machen daß die Blinden geh'n
Zwilliwilliwick, juch-hei-ras-sa!
Und daß die Lahmen wieder seh'n
Zwilliwilliwick, bumbum!

Jeder kennt die Methode, mit der Doktor Eisenbarth gern den Herzinfarkt behandelt: Der Patient muss schwere Gewichte heben, wird dann ums Krankenhaus gejagt und darf keinesfalls schlafen. Das muntert den Kranken so gründlich auf, sodass er meist noch während der Behandlung stirbt. Nach eben dieser Methode wird gerade ein ganzer Staat verarztet: Griechenland. Denn nichts treibt einen finanzkranken Staat schneller in die Insolvenz, als die allgemein verbreitet Behauptung, er könne seine Schulden nie zurückzahlen. Nach einer solchen Information bekommt er sein Geld nur noch von den Kredithaien, gerne mit zweistelligen Zinsen. Der aktuelle Doktor Eisenbarth heißt "Standard & Poor´s", eine Ratingagentur, die dem Markt mitteilt, dass Griechenland so gut wie Pleite ist. Die anderen beiden, Moody's, und Fitch Ratings, werden bald mit ähnlich vernichtenden Urteilen folgen.

Alle drei Agenturen wurden in den USA "zugelassen" und sind faktisch die einzigen, die weltweit als Scharfrichter über die Bonität der jeweiligen Firmen, Banken oder Staaten entscheiden dürfen. Der Fall Standard & Poor´s ist besonders delikat: Das ist jene Agentur, die noch wenige Tage vor dem Zusammenbruch von "Lehmann Brothers"- jener Bank, deren Crash die internationale Krise auslöste - den Lehmann-Brüdern beste Noten ausstellte. Dass die Ratingagenturen vom Honorar ihrer Beurteilungsobjekte leben, dürfte ihre Objektivität arg einschränken. Aber da ihre Meinung über diese oder jene Bank dem hohen Gut der Meinungsfreiheit unterliegt, sind die Diagnosen der Agenturen über jede Kontrolle erhaben. Was oder wer beim Herbeireden der Griechenland-Pleite verdient, liegt auf der Hand: Die Spekulanten mit hoch verzinslichen Papieren.

Standard & Poor´s gehört den McGraw-Hill Companies, Inc. mit Sitz in New York. Diesem Gemischtwaren-Laden wiederum gehören eine Reihe von TV-Stationen und Zeitungen. Nun mögen die Zeiten des Medienmogul Randolph Hearst vorbei sein, der, um die Auflagenzahlen zu erhöhen, den spanisch-amerikanischen Krieg auslöste, aber der Konkurs Griechenlands wäre auch eine interessante Meldung. Das ist das Schöne am freien Markt, alles wird zur Ware: Die Nachrichten, die Staaten, Leben und Tod. Griechenland braucht vorerst rund 45 Milliarden Euro. Die deutsche Bankenrettungs-Aktion hat den Steuerzahler bisher rund 100 Milliarden gekostet. Der ehrenwerte Herr Ackermann, dessen Deutsche Bank an der Krise wunderbar verdient hat, wünscht dringend die Sanierung Griechenlands, denn diverse deutsche Banken hätten dort "beträchtliche Milliarden im Feuer". Man geht von 45 Milliarden aus. Wie die Summen sich gleichen!

In Portugal haben die deutschen Banken 47 Milliarden Dollar Außenstände. Im ebenfalls gefährdeten Spanien sind es 237 Milliarden, die deutsche Banken verliehen haben. Über die Postbank, an der Herrn Ackermanns Institut beteiligt ist, ist auch die deutsche Bank in Griechenland direkt involviert: Etwa 1,3 Milliarden Außenstände sind dort gefährdet. Die indirekte Beteiligung der Deutschen Bank ist natürlich um vieles größer: Mit wem soll die Ackermann-Truppe noch Geschäfte machen, wenn die anderen Banken an Griechenland Pleite gehen? Also hat sich Berlin, trotz der angeblich eisernen Kanzlerin, längst entschieden, das Spiel aus 2008 zu wiederholen: Wie im Krisenjahr werden die Banken und deren Griechenland-Engagement gerettet werden. Weil Banken und Staaten "systemrelevant" sind. Normale Steuerzahler sind offenkundig nicht relevant, so werden die Schulden der Banken zu den Schulden der kleinen Leute.

Was ist das für ein System, das aus der Krise seit bald zwei Jahren keine Lehren zieht, das die soziale Lage der meisten Menschen den privaten Interessen einer Minderheit ausliefert? Es ist ein System, das nicht zur Selbst-Diagnose geeignet ist und deshalb auch nicht zur Heilung. Es wird weiter die Blindheit als Voraussetzung für ein Regierungsamt verlangen und die lahmenden Banken in das Rennen um ihre Existenz schicken. Das Rezept für die notwendige Rosskur dieses Systems steht im Grundgesetz: "Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig" kann man im im Artikel 14 lesen. Aber im selben Artikel steht auch, dass "Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen." Die Firma Merkel, Westerwelle & Co. soll, so hört man, an einer kreativen Neuformulierung arbeiten: "Die Enteignung des Volks zum Wohle der Banken ist verpflichtend. Alles andere ist gemein".

Dieser Artikel erschien am 28. April 2010 auf Ulrich Gellermanns Plattform für Nachdenker und Vorläufer, RATIONALGALERIE, wovon ich ihn, mit seinem Einverständnis, übernommen habe. Danke.

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