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Tri, Tra, Trullala - Der Kirchhof, der ist wieder da!

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Bild: Rainer Ostendorf,
Freidenker Galerie
Von Uli Gellermann

Der "Professor aus Heidelberg" der "radikale Steuerreformer", der Mann, der beinahe unter Merkel Finanzminister geworden wäre, taucht wieder aus der Versenkung auf: Paul Kirchhof. Von BILD bis SPIEGEL, von der SÜDDEUTSCHEN bis zum HAMBURGER ABENDBLATT, alle wissen was Tolles über das neue Steuerkonzept des ehemaligen Verfassungsrichters zu sagen: Einfach, niedrig, gerecht sei es, auch visiönär, die SÜDDEUTSCHE kommt uns sogar biblisch: "Es werde Licht" titelt sie ihre Kirchhof-Story. So tief, denkt man, kann das Sommerloch doch gar nicht sein. Es gibt doch immer noch die Fußball-WM, den Libyen-Krieg und den Besuch des chinesischen Ministerpräsidenten und andere Themen des politischen Entertainments. Aber Kirchhof, plötzlich aus der Kiste des gnädigen Vergessens? Warum jetzt Kirchhof, woher kommt Kirchhof?

Das "warum ausgerechnet jetzt" ist einfach zu erklären: Anscheinend, unter Berücksichtigung des größtmöglichen Konjunktivs, gibt es bald wieder Steuergelder zu verteilen. Und dann formieren sich immer die Ich-Auch-Bataillone, all jene Truppen, die was abhaben wollen. Aber warum ausgerechnet Kirchhof, das ist aus dem Woher des Mannes zu erklären. Der gewesene Richter gehört zur konservativen Katholen-Connection, jener streng gläubigen Gang, die ihren Weg über die Messdienerei und eine katholische Studentenverbindung nach oben organisiert. Natürlich half es Kirchhof sehr, dass schon sein Vater am Bundesgerichtshof war, aber ein lukratives Stipendium des "Cusanuswerks", eine hoch katholische Einrichtung, die Steuergelder ausschließlich an katholische Studenten verteilt, gab noch mal ordentlich Weihwasser auf die Karrieremühle des Paul Kirchhof.

Dass Kirchhof später Mitherausgeber des "Rheinischen Merkurs" war, ein Blatt der Deutschen Bischofskonferenz, passt prima in das katholische Profil. Weniger katholisch waren dann seine Jobs im Aufsichtsrat der Deutschen Bank und der Allianz Versicherung. Wie sich diese lukrative Arbeit für das Interesse der Hochfinanz mit seinem staatlich finanzierten Lehrstuhl für Staatsrecht verträgt, erklärt sich aus der schlechten Verfassung der Bundesrepublik: Hier kann jeder Professor machen was er will, auch die Hand des Staates, des Steuerzahlers beißen, die ihn füttert. Kirchhofs asoziale Vita wäre kaum komplett, wenn man nicht erwähnte, dass er für die kapitalgedeckte Rente eintrat, ein Modell, das zwischen Riester und Maschmeyer längst als leider legaler Betrug entlarvt worden ist. Und "Botschafter" war der Mann auch noch: Bei der "Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft", eine Vereinigung, bei der Markt alles, Soziales aber nichts galt.

Der neue, scheinbar aktuelle Kirchhof ist natürlich der alte: Bei der Mehrwertsteuer, die Arme und Reiche total gerecht gleichermaßen trifft, soll alles bleiben wie es ist. Außerdem möchte er gern reiche Erben entlasten, den Spitzensteuersatz auf 25 Prozent senken, eine Flat Tax, die primär den Besserverdienern zugute kommt. Natürlich will er Dividenden steuerfrei stellen: Die bedauernswerten Aktionäre müssen schließlich geschont werden. Dass der Mann bei FDP und CDU eine freundliches Echo findet, versteht sich. Aber warum schätzt ihn der Medienmainstream so sehr, dass er ihm viel Raum für sein großes Ego und seine kleine Idee einräumt? Weil im Reich der Chefredakteure, der Verleger und der Intendanten genau die sitzen, für die Kirchhofs Steuermodell gedacht ist: Die Profiteure des Systems.

Dieser Artikel erschien am 29. Juni 2011 auf Ulrich Gellermanns Plattform für Nachdenker und Vorläufer, RATIONALGALERIE, wovon ich ihn, mit seinem Einverständnis, übernommen habe. Danke.

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