Karikatur:© Kostas Koufogiorgos, www.koufogiorgos.de |
8 schockierende Bereiche, in denen die USA weltweit führen
Von Lynn Stuart Parramore
Alter Net, 20.07.13
Leute, die nicht an Veränderungen und am Fortschritt interessiert sind, neigen dazu, sich der chauvinistischen Wunschvorstellung hinzugeben, die USA seien ein einzigartiger Staat. Häufig ist damit auch der Anspruch verbunden, alle anderen Staaten hätten sich den USA unterzuordnen. Einige verbreiten mit den Neokonservativen die Idee, die USA stünden wegen ihrer Einzigartigkeit über dem Recht, und andere Staaten müssten nach dem Vorbild der USA umgebaut werden. Andere glauben mit den konservativen Evangelikalen, die USA verdankten ihre Einzigartigkeit dem Willen Gottes.
In den letzten Jahrzehnten haben die USA auf mehreren Gebieten tatsächlich den Sprung an die Weltspitze geschafft. Dabei handelt es sich aber nicht um Bereiche, über denen wir stolz die Flagge der USA hissen könnten. Wenn wir die nachfolgend beschriebenen Tendenzen nicht abstellen, werden wir letztendlich alles zerstören, was unser Land groß gemacht hat – zum Beispiel die Aufstiegschancen für jeden und die ausreichende soziale Absicherung für alle.
1. Die USA sind der Staat, in dem es am teuersten ist, ein Baby zu bekommen: In den USA kostet es Sie schon einen Haufen Geld, bis Sie ihren Wonneproppen mit nach Hause nehmen können. Nach einem Bericht in der New York Times [3] kostet eine Geburt im Krankenhaus durchschnittlich 9.775 Dollar – mit Kaiserschnitt sogar 15.041 Dollar. In keinem anderen Industriestaat der Welt bezahlen die Eltern so viel für das Recht, sich fortpflanzen zu können.
Wenn Sie glauben, dass Sie mit einer Krankenversicherung viel weniger zahlen müssen, irren Sie sich gewaltig. In 62 Prozent der privaten Versicherungsverträge ist die Erstattung von Entbindungskosten überhaupt nicht enthalten. Werdende Mütter werden nach den Worten der New York Times "im Basar der US-Gesundheitsfürsorge regelrecht abgezockt", weil sie Leistungen wie Ultraschall- und Blutuntersuchungen oft selbst bezahlen müssen. Die Preisgestaltung ist häufig undurchsichtig und nach oben offen; außerdem werden viele Behandlungen abgerechnet, die überhaupt nicht notwendig sind. Selbst wenn eine Zusatzversicherung für Entbindungen besteht, müssen Frauen häufig einige Tausend Dollar zuzahlen – im Durchschnitt 3.400 Dollar.
Können US-Mütter für dieses viele Geld eine besonders aufwendige Pflege erwarten? Mitnichten! Sie werden nicht besser behandelt als Gebärende in anderen Industrieländern, müssen aber trotz der hohen Kosten noch zuzahlen.
2. In den USA gibt es die meisten Fettleibigen: In den USA leben weltweit die meisten Fettleibigen. [4] Nach einem neuen UN-Bericht ist Mexiko allerdings dabei, uns zu überholen. [5] Weil Fettleibigkeit zu den größten Gesundheitsrisiken zählt, kann es niemand überraschen, dass jährlich 100.000 bis 400.000 US-Amerikaner daran sterben. 2010 wurde in Zentren für Gesundheitsfürsorge und Prävention festgestellt, dass in den USA 35,7 Prozent der Erwachsenen und 17 Prozent der Kinder fettleibig sind. Mehr als zwei Drittel [6] der erwachsenen US-Amerikaner sind entweder übergewichtig oder fettleibig.
Wir US-Amerikaner werden aus mehreren Gründen immer dicker – wegen unserer Vorlieben für Gebratenes, für überzuckerte Getränke, für abgepackte Tiefkühlkost und für panierte Fleischwaren; weitere Ursachen sind unsere sitzenden Lebensweise, zu viel Fernsehen, zu wenig Schlaf und der Mangel an Bewegung. Fettleibigkeit führt zur Zuckerkrankheit, zu Herz- und Kreislauferkrankungen, zu Komplikationen während der Schwangerschaft, zu Schlaganfällen, zu Lebererkrankungen und – die Liste ließe sich noch weiter fortsetzen. Krankhaft Fettleibige müssen häufiger zum Arzt und treiben die Ausgaben im Gesundheitswesen in die Höhe. In Kentucky gibt es die meisten, in Colorado die wenigsten Fettleibigen.
Forscher sagen voraus [7], dass die von der Fettleibigkeit verursachten Kosten in den USA bis 2018 vermutlich auf 344 Milliarden Dollar ansteigen werden.
3. In den USA gibt es die meisten unter krankhafter Angst leidenden Menschen: Immer mehr US-Amerikaner haben Angstzustände. Bei einer weltweiten Untersuchung zum Auftreten von psychischen Krankheiten wurde festgestellt, dass die USA Weltmeister bei den Angsterkrankungen sind. [8] Eine 2009 von der World Health Organisation / WHO durchgeführte Untersuchung der psychischen Verfassung von Bevölkerungen ergab, dass sich im Lauf eines Jahres 19 Prozent der US-Amerikaner wegen schwerer Angstzustände in ärztliche Behandlung begeben müssen. Die Nationalen Gesundheitsinstitute haben herausgefunden, dass 18 Prozent der Erwachsenen, also mindestens 40 Millionen US-Bürger, unter Angstzuständen leiden.
Forscher haben festgestellt, dass verschiedene Angsterkrankungen – allgemeine Angstzustände, zwanghafte Obsessionen und posttraumatische Belastungsstörungen – in der US-Bevölkerung sprunghaft angestiegen sind. Häufig treten Angstzustände mit anderen Beschwerden wie chronischen Schmerzen gemeinsam auf und machen es den Erkrankten unmöglich, eine geregelte Tätigkeit auszuüben. Frauen leiden häufiger unter Angstzuständen, aber nur ein Drittel der erkrankten Frauen wird angemessen behandelt.
Die Anxiety and Depression Association (die Gesellschaft für Angst und Depressionen, s. hier) in den USA hat festgestellt [9], dass Menschen, die unter Angstzuständen leiden, mit fünf- bis sechsmal höherer Wahrscheinlichkeit ärztlich behandelt oder wegen ihr Erkrankung in Psychiatrische Kliniken eingeliefert werden müssen.
4. In den USA gibt es die meisten Handfeuerwaffen in Privatbesitz: Das Graduate Institute of International Studies (das Hochschulinstitut für internationale Studien und Entwicklung, s. hier) in Genf [10] hat die USA sowohl bei der Gesamtzahl von Schusswaffen in Privatbesitz als auch bei deren Pro-Kopf-Verteilung weltweit auf Platz 1 gesetzt; die USA haben damit Kriegsgebiete wie den Jemen, Serbien und den Irak geschlagen.
In den USA gibt es tatsächlich mehr private Handfeuerwaffen als Einwohner: Nach einer Studie [11] entfallen auf 100 US-Amerikaner 101,05 Schusswaffen. Erst kürzlich hat der US-TV-Sender CNN berichtet, dass die US-Amerikaner nicht weniger als ein Drittel aller Pistolen auf der ganzen Welt besitzen. Nach Untersuchungen hat die Anzahl der Haushalte, die über Schusswaffen verfügen, zwar abgenommen, aber immer mehr Waffenbesitzer schaffen sich gleich mehrere Waffen an. Diese Konzentration ist teilweise dadurch zu erklären, dass sich die Werbung für Waffen hauptsächlich an Leute richtet, die bereits Waffen haben.
Das erklärt auch eine andere statistische Angabe: Die Anzahl der mit Handfeuerwaffen verübten Morde in entwickelten Staaten ist in den USA am zweithöchsten. [12]. Nur Mexiko schlägt uns, weil der Drogenkrieg dort immer heftiger tobt.
5. In den USA sitzen die meisten Menschen hinter Gittern: Die Inhaftierungsrate ist in den USA höher als in Russland, in Kuba, im Iran oder in China. Nach Angaben des (britischen) International Center for Prison Studies (des Internationalen Zentrums für Studien über Gefängnisse, s. hier) sind in den USA 716 von 100.000 Einwohnern inhaftiert. [13] In Norwegen sind es 71, in Japan 54 und Island nur 47 von 100.000.
Nach jüngsten Erhebungen [14] sitzen in den USA einschließlich der Festgenommen und Untersuchungshäftlinge 2.239.751 Menschen in 4.575 Gefängnissen, die eigentlich nur 2.134.000 Gefangene aufnehmen können. 2010 waren 70.792 davon Jugendliche. [15]
Weil es in den USA immer noch Rassismus gibt, sind unverhältnismäßig viele Afro- und Hispano-Amerikaner inhaftiert. Häufig sind die Haftbedingungen menschenunwürdig, besonders für Gefangene, die HIV-infiziert sind oder unter Aids leiden [16]; Häftlinge werden in Einzelhaft gehalten, gefoltert, vergewaltigt oder gehänselt, weil sie psychisch krank sind.
Schuldgefängnisse werden allgemein als Relikt aus dem 19. Jahrhundert angesehen, aber in mehreren Staaten der USA, zum Beispiel in Florida, werden seit 2011 auch wieder Menschen eingesperrt, die ihre Schulden nicht zurückzahlen können. [17] Die hohe Inhaftierungsrate ist auf mehrere Faktoren zurückzuführen: auf die Länge der Strafen, darauf, dass schon 20 Prozent der Häftlinge wegen Drogendelikten und nicht wegen Gewalttaten einsitzen, und auf die fortschreitende Privatisierung der Gefängnisse, die Gefängnisbetreibern die Möglichkeit gibt, mit verlängerten Haftstrafen (Gefangene länger ausbeuten und damit) ihre Gewinne erhöhen zu können.
6. Die USA haben den höchsten Energieverbrauch pro Einwohner: Die USA stehen beim Energieverbrauch pro Person an der Weltspitze. [18] Beim Stromverbrauch stehen wir ganz vorn [19], beim Ölverbrauch lassen wir den nächsten Staat Meilen hinter uns [20], und beim Kohleverbrauch [21] sind wir direkt hinter China die Nummer 2.
Nach einem Bericht der U.S. Energy Information Administration (der US-Energieverwaltung, s. hier) [22] entfallen auf die USA fast 19 Prozent des gesamten primären Energieverbrauchs der Welt aus Erdöl, Erdgas, Kohle, erneuerbaren Energien und Kernkraft. 2011 haben die USA etwa ein Viertel ihrer primären Energie aus preiswertem Erdgas gewonnen, das durch Fracking erschlossen wurde. [23]
Der hohe Energieverbrauch resultiert aus dem Heizen und Kühlen immer größerer (schlecht isolierter) Häuser, aus dem hohen Stromverbrauch elektrischer Geräte und der Konsumgüterindustrie sowie aus dem hohen Transportaufkommen.
Der Energieverbrauch hat sich von 1950 bis 2007 fast verdreifacht [24] – vor allem wegen des Bevölkerungszuwachses und des verbesserten Lebensstandards; erst durch die Rezession von 2009 ist er wieder zurückgegangen. Der Energiebedarf der USA soll in den kommenden Jahren leicht sinken, dafür wird sich der Energiebedarf der Welt aber bis 2050 fast verdoppeln.
7. In den USA wird am meisten für die Gesundheit ausgegeben: 2010 wurden in den USA 17,6 Prozent des erwirtschafteten Bruttoinlandsproduktes / BIP für Gesundheit ausgegeben – mehr als in jedem anderen Staat und das mit steigender Tendenz. Bei uns fließt mehr Geld in das Gesundheitswesen als in vergleichbaren Staaten, und das viele Geld geht vor allem für die Verwaltungskosten viel zu vieler Versicherungsgesellschaften drauf.
In einer Untersuchung vergleichbarer Staaten reiht der Commonwealth Fund (einer private US-Stiftung, die eine Verbesserung der Gesundheitsfürsorge anstrebt, das US-Gesundheitswesen an letzter Stelle ein [25], stellt aber gleichzeitig fest, dass es das teuerste ist. Ein Bypassoperation im Bereich der Koronar-Arterien kostet in den USA zum Beispiel 50 Prozent mehr als in Kanada, Australien oder Frankreich und doppelt so viel wie in Deutschland.
Trotz des vielen Geldes, das unser Gesundheitswesen verschlingt, haben die USA weniger Ärzte, weniger Krankenhaus- Betten und mehr Totgeburten pro 100.000 Einwohner als die meisten anderen OECD-Staaten; das geht aus einem kürzlich veröffentlichten Bericht der US-Rundfunkgesellschaft PBS hervor [26], dem auch zu entnehmen war, dass im Jahr 2010 pro Einwohner 8.233 Dollar für die Gesundheit ausgegeben wurden. Die in der Ausgabenstatistik direkt hinter uns stehenden Staaten Norwegen, die Niederlande und die Schweiz geben mindestens 3.000 Dollar weniger pro Einwohner aus als wir.
8. In den USA wird mit am meisten Kokain konsumiert: Beim Kokain-Konsum liegen wir mit Spanien gleichauf. [27]. Nach dem Welt-Drogenbericht des UN-Büros für Drogen- und Verbrechensbekämpfung aus dem Jahr 2008 haben in beiden Staaten drei Prozent der Erwachsenen und der Teenager angegeben, schon einmal Kokain konsumiert zu haben.
Zwischen 2006 und 2010 ist der Kokain-Konsum in den USA stark zurückgegangen [28], aber keineswegs verschwunden: Etwa 2 Millionen US-Amerikaner konsumieren regelmäßig Kokain, 700.000 von ihnen auch noch Crack. Kolumbien war einmal der Kokain-Hauptlieferant für die USA [29], ist nach Angaben des Office of National Drug Control Policy jetzt aber hinter Bolivien und Peru zurückgefallen. Kokain ist nach Pot (Haschisch) die beliebteste Droge in den USA, kann aber – anders als Marihuana – durch Herzstillstand zum Tod führen.
Interessant ist auch zu wissen, dass vom Kokain eine üble Verbindung zum Industriekapitalismus besteht. Es wurde zuerst unter Arbeitern verbreitet; sie bekamen es von manchen Fabrikherren, die damit die Produktivität steigern wollten.
Übersetzung und Links zu dem in Klammern [ ] angezeigten Quellenmaterial: Wolfgang Jung, luftpost-kl.de.....