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LEIHARBEIT IST FREIHEIT - Jobbst Du noch oder fliegst Du schon?

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Karikatur:© Kostas Koufogiorgos, www.koufogiorgos.de
Von Ulrich Gellermann

Leiharbeit ist Freiheit. Morgen jobbst Du, übermorgen nicht. Zwischendurch: Jede Menge Freizeit. Der Leiharbeiter ist das Exklusivmodell der radikalen Marktwirtschaft. Kaum jemand ist so frei wie er. Auch der Boss ist natürlich frei: So frei, den Leiharbeiter mal einzustellen oder lieber nicht. Hohe Produktionsleistung: Leiharbeiter rein. Weniger Absatz: Leiharbeiter raus. Rein-Raus-Rein-Raus: Das macht der Boss gern. Aber die optimale Freiheit hat er natürlich nicht: Er muss immer an seinem Arbeitsplatz bleiben. Das ist bitter. Wo doch schon rund eine Million Menschen in Deutschland die Freiheit der Ausleihe genießen dürfen. Nur die Vorstände und Aufsichtsräte nicht. Diese Ungerechtigkeit muss ein Ende haben: Rent-a-Boss sollte das Programm für morgen heißen. In der Absatzkrise im Gefolge der Finanzkrise: Was hätten die Unternehmen schon damals an Vorstandsgehältern sparen können: Bei Opel, bei Daimler oder anderswo. Und die armen Spitzenangestellten hätten endlich mal Pause machen können.

Was ist der Staat anderes als ein einziges großes Unternehmen? Die Politiker sind die Angestellten und liegen dem Steuerzahler vier Jahre auf der Tasche. Aber so ein Leih-Kanzler zum Beispiel, der würde sich einfach mehr anstrengen. Denn er wüsste: Wenn er eine Festanstellung will, muss er schon mehr tun als die beamtete Stammbelegschaft. Aber der Steuerzahler wäre ja nicht blöd. Der würde den geliehenen Kanzler natürlich vor der Neun-Monats-Grenze feuern. Selbst wenn der jeweilige Kanzler besonders gut wäre, was kaum vorkommt, wird der Vertrag natürlich nicht verlängert: Lieber kündigen und später neu einstellen. Das spart Sozialabgaben ohne Ende. Vor allem aber ist es frei und flexibel. Warum soll der Kanzler die Rentenkassen belasten? Auch das Arbeitslosengeld I wird gespart. Soll der Kanzler doch sehen, wie er mit den Hartz-Almosen zurecht kommt.

Natürlich muss es prüfbare Kriterien für die Dauer der Leihbeschäftigung geben. Dazu wären saubere, repräsentative Umfragen die optimale Check-Möglichkeit. Schafft es der Verteidigungsminister, zum Beispiel, einen ordentlichen Rückzugsplan für Afghanistan vorzulegen? Die Frage wird nach drei Monaten der Beschäftigung dem Steuerzahler vorgelegt. Tja, und wenn nicht: Draußen stehen Hunderte, die den Job auch gerne hätten. Schönes Büro in Berlin, Nobel-Auto als Dienstwagen, da gibt es genug Bewerber. Oder: Hat der Aussenminister seinen Englischkurs mit Erfolg abgeschlossen? Wenn Nein: Einen besseren als den jetzigen bekommen wir allemal. Auch der Betriebsfrieden muss eine gewisse Rollen spielen, wenn es um den Verbleib im Amt geht: Zickenkriege, wie der zwischen von der Leyen und Schröder, sollten dem Leihvertrag ein sofortiges Ende bereiten. Seehofers Rüpeleien natürlich auch.

Wir sind ein Export-Land. Da kann es nicht ausbleiben, dass man an die Ausweitung der Polit-Leih-Arbeit denkt. Die Agentur für Arbeit sollte eine internationale Sparte für den Politiker-Verleih aufmachen. Merkel nach Griechenland, warum nicht? Immerhin hat sie es in ihrer bisherigen Amtszeit geschafft, den deutschen Real-Lohn in die Nähe des griechischen Real-Lohnes zu drücken. Dann sollte es ihr doch wohl gelingen, den griechischen Lohn in die Nähe des chinesischen zu dumpen. Aber ob die Griechen das wollen? In Ägypten werden wahrscheinlich jede Menge Jobs frei. Da muss doch der deutsche Innenminister verleihbar sein. Dessen solider Überwachung wäre die Opposition, im Vorfeld der Revolte, nie und nimmer entgangen. Der Verkehrsminister wäre den Engländer anzudienen: Deren Eisenbahnwesen ist schon so marode, dass nicht mal Ramsauer was falsch machen könnte. Frau Schavan sollten die Deutschen kostenlos verleihen: Als Praktikantin nach Finnland. Die haben dort ein Bildungswesen. Wenn die deutsche Bildungsministerin dann nach zwei Jahren Finnland zurückkehrte, bekämen wir vielleicht auch eins.

Zwar sieht das Grundgesetz bereits im Artikel 2 die "freie Entfaltung" der Persönlichkeit vor, aber dieser schwammige Paragraph muss, im Rahmen der freien Leiharbeit, unbedingt ergänzt werden. Was wäre mit "Die Freiheit von Arbeit muss jedermann garantiert sein". Auch die Präambel der Verfassung bedarf, im Zuge freier Menschen-Verleihung, einer gründlichen Korrektur. Steht dort bisher, "Im Bewusstsein seiner Verantwortung vor Gott . . . .", muss die neue Formulierung heißen: "Im Bewusstsein seiner Verantwortung gegenüber der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) . . . ist das deutsche Volk für jeden Blödsinn zu haben, wenn nur Freiheit draufsteht." Am Haus der Deutschen Wirtschaft (BDA) in Berlin soll das Transparent schon hängen: "Jobbst Du noch oder fliegst Du schon?"

Dieser Artikel erschien am 08. Februar 2011 auf Ulrich Gellermanns Plattform für Nachdenker und Vorläufer, RATIONALGALERIE, wovon ich ihn, mit seinem Einverständnis, übernommen habe. Danke.

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